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Hinweis: Weitere Medienbeiträge finden sich unter „Projekte“ (Unterpunkt „Kriegsbriefe“) sowie „Projekte“ (Unterpunkt „Moordorf“).

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Fluch und Segen: Vom Dasein als Freier Mitarbeiter

„Du hast es gut, Du kannst jetzt nach Hause gehen“, hörte ich des Öfteren von den festangestellten Kolleginnen und Kollegen, wenn ich meinen Beitrag abgeliefert hatte. Im Stillen dachte ich nur: „Wenn Du wüsstest, wie gerne ich auch auf so einem Sessel, wie Du ihn hast, sitzen würde.“

Jemand anders äußerte einmal: „Was Du alles so machst an großen Sendungen – dazu habe ich hier im Redaktionsalltag überhaupt keine Zeit. Du bist wirklich zu beneiden!“ Das stimmte, aber der Kollege hatte keine Ahnung, unter welchem Produktionsdruck ich stand – und dass nicht alle so nett waren wie er.

Diese Wünsche und Ideen lagen meiner Berufsvorstellung zugrunde:
– mich mit dem, was ich tue und arbeite, selbst verwirklichen,
– möglichst wenig Kompromisse eingehen,
– eine feste Stelle – aber am besten ohne überflüssige Chefs und Hierarchien …
– freiberuflich, aber mit regelmäßigem und ausreichendem Einkommen.

Das alles miteinander in Einklang zu bringen, war in der Praxis nicht einfach. Aber wenn ich jetzt auf das zurückblicke, was ich beruflich „produziert“ und, mindestens genauso wichtig, „verkauft“ habe, bin ich mehr als zufrieden. Allerdings weiß niemand, wenn er jung ist, wohin der Lebensweg führt und wieviele Klippen zu umschiffen sind. Auch mir wurde manchmal angst und bange, wenn ich wieder auf einen Felsen zusteuerte oder er auf mich.

Das Thema „festangestellt“ und „freiberuflich“ erinnert ein bisschen an Tucholsky mit seinem Gedicht „Das Ideal“:

Ja, das möchste!
Eine Villa im Grünen mit großer Terrasse,
vorn die Ostsee, hinten die Friedrichstraße;
mit schöner Aussicht, ländlich mondän,
vom Badezimmer ist die Zugspitze zu sehn –
aber abends zum Kino hast du’s nicht weit.
Das Ganze schlicht, voller Bescheidenheit.

Ich habe beide Seiten ausreichend kennengelernt: als Freiberufler mit einem Vorschlag für einen Beitrag vor dem Schreibtisch zu stehen und andererseits festangestellt und gepolstert hinter dem Schreibtisch zu sitzen (dort hatte ich es allerdings nur teilweise mit freien Mitarbeitern zu tun, sondern überwiegend mit Kolleg/innen, die nur zeitweise beschäftigt waren und vergeblich auf eine unbefristete Anstellung warteten).

Meine freiberuflichen Erfahrungen, vor allem im Radiobereich, bewegen sich zwischen „sehr gut“ und „durchwachsen“. Soweit ich mehr oder weniger fest in ein Redaktionsteam integriert war (wie zeitweise beim NDR), gab es nur selten Probleme, genug Aufträge zu bekommen bzw. eigene Themenvorschläge realisieren zu dürfen.

Schwieriger war es, größere Themen, vor allem in Form von Features und Dokumentationen, „loszuwerden“. Hier hatte ich es in der Regel mit nur einem/r Redakteur/in zu tun. Dabei kam es – neben qualitativen Standards (die allerdings immer Möglichkeiten der Interpretation boten) – auch entscheidend darauf an, den persönlichen Geschmack der Person hinter dem Schreibtisch zu treffen. Wenn jemand ein Thema als „nicht so spannend“ beurteilte, verbargen sich dahinter nicht selten persönliche Vorlieben oder Abneigungen. D.h. in gewisser Weise musste also auch „Beziehungsarbeit“ geleistet werden. Dies fiel mir nicht immer leicht – je nachdem, wie es mir ging, und auch, wie sehr ich finanziell unter Druck stand. Ein Thema waren auch die Ko-Produktionen mehrerer Sender – für Freie besonders attraktiv. Manche Redaktionen waren dafür offen (auch mit Blick auf mich und meine Situation), andere werkelten lieber für sich.

Im Laufe der Jahre empfand ich das „freie“ Dasein mit all den Unsicherheiten als zunehmend ermüdend, bisweilen auch zermürbend. Geradezu schockierend war die Erfahrung, dass ich nach dem überraschenden Tod eines WDR-Redakteurs, der von meiner Arbeit sehr überzeugt war und mit dem ich ausgesprochen gerne zusammengearbeitet hatte, die Drähte zur dortigen Feature-Redaktion quasi zerschnitten waren. Ähnlich einschneidende Folgen hatte meine Krebserkrankung, als ich für längere Zeiträume nicht arbeiten konnte und so manche Kontakte dauerhaft verloren gingen. Aber glücklicherweise hatte ich zu dem Zeitpunkt schon eine feste halbe Stelle in der Universität Oldenburg. Unvergessen ist mir in diesem Zusammenhang ein schönes Erlebnis: Als sich meine Krebserkrankung herumsprach, reagierten die meisten mit Anteilnahme und Mitgefühl – was schon mal guttat. Noch besser fand ich die Reaktion meines Verlegers Horst Temmen: Er schickte, ohne große Worte, einen Scheck …

Alles in allem gibt es nichts zu „bereuen“. Mit 30 Jahren bekam ich meine erste feste Stelle: Öffentlichkeitsreferent beim Diakonischen Werk. Weil mir die Arbeitsstrukturen nicht gefielen, gab ich nach einem Jahr kurzerhand den Job auf, ohne den nächsten in Aussicht zu haben. Das war – „laufbahnmäßig“ gesehen – zweifellos leichtsinnig gewesen. Andererseits: Wie hätte ich als Festangestellter all das verwirklichen sollen, was mich „eigentlich“ interessierte? Also vor allem die aufwändigen Radiofeatures sowie Buch- und Forschungsprojekte – mit „meinen“ ureigenen Themen …

So stellten sich manche Um- und Irrwege im Nachhinein betrachtet als durchaus sinngebend und bereichernd heraus, vielleicht sogar als eine Art Fügung – um die Erfahrungen machen zu können, die für meinen Lebensweg in gewisser Weise „notwendig“ waren und sind.

Später, in meiner Uni-Zeit, hatte ich es öfter mit Praktikant/innen zu tun, die mich nach meinen Erfahrungen im „Medienbereich“ fragten. Mein Rat: Gehe deinen Weg, auch wenn er steinig werden könnte. Aber es schadet nicht, eine Ausbildung oder ein Studium zu absolvieren, worauf du notfalls zurückgreifen kannst. ▪️