Fortsetzung „Ein paar Worte vorweg“

2029/2020 habe ich mich zum ersten Mal an ein ähnliches Projekt getraut: eine Webseite über meinen Großvater, den ostfriesischen Heimatschriftsteller Johann Schoon. Die Resonanz ist ermutigend.

Wie bin ich zum Schreiben und zum Journalismus gekommen? Der Weg dahin war sicherlich vorgeprägt, aber nicht unbedingt vorgezeichnet. Ich denke zunächst an den schreibenden und schriftstellernden Großvater und darüber hinaus an die Wertschätzung von Literatur und Sprache in unserer Familie, was mich auf meinem Weg beflügelte. Die Deutschnote im Zeugnis war zuhause immer am wichtigsten.

In der Jugend träumte ich davon, Radio- oder Fernsehmoderator zu werden. Besonders zwei Sendungen hörte bzw. sah ich gern und oft: den „5-Uhr-Club“, eine NDR-Jugendsendung mit Wiebke Bruns, sowie etwas später das kritische Magazin „Panorama“ mit Peter Merseburger.

Bei der Berufswahl schwankte ich eine Zeitlang zwischen Archäologe und Anwalt, es gab auch Überlegungen in Richtung Theologie und Schauspielerei. Überdies tauchte ab und zu der Gedanke auf, später einmal in die Politik zu gehen. Nach zwei Semestern Jura stellte ich mit Geschichte und Politik die Weichen in Richtung Journalismus. Bei einem Praktikum für den RIAS Berlin fing ich dann so richtig Feuer.

Rückblickend betrachtet ging es – neben dem Spaß am „schreibenden Gestalten“ besonders im Genre des Radiofeatures – wohl auch um Anerkennung, vielleicht sogar um einen, psychologisch gesehen, „Familienauftrag“. Ich weiß noch, wie stolz meine Großmutter mir und anderen davon erzählte, mich im Radio gehört zu haben. Das war schon etwas Besonderes …

Ein gewisser oder auch größerer Hang zur Selbstdarstellung und die Suche nach Bestätigung und Anerkennung ist zweifellos sehr häufig mit allen – im weiteren Sinn – öffentlichen Berufen verbunden. Solche eher unbewussten Motive spielten sicherlich auch bei mir eine Rolle. Aber vor allem fand ich im Journalismus eine gute Möglichkeit, meine Sicht auf Welt und Gesellschaft zum Ausdruck zu bringen. Diese Haltung war und ist zwar bei weitem nicht allen Beiträgen anzumerken, aber sie durchzieht doch meine Arbeit als Ganzes.

Meine journalistisch-publizistischen Aktivitäten spiegeln Lebenswelten und Themen wider, wie sie für viele meiner Generation (ich bin Jahrgang 1952) typisch waren und sind.

Da war zum einen die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus sowie der Schuld und Verstrickung unserer Eltern und Großeltern (soweit sie dem System gedient hatten). Zum anderen ging es um Alternativen zum Kapitalismus und zu einer durch Materialismus und Konsum geprägten westlichen Lebensweise, die nur möglich geworden war (und ist) durch die Ausbeutung der „Dritten Welt“. Viele junge Menschen probierten neue Lebensformen aus, oft unter Einbeziehung spiritueller Aspekte. Damit zusammenhängend erfuhr das Thema Natur und Ökologie eine immer größere Bedeutung (Anti-AKW-Bewegung), weil der Zusammenhang zwischen ausuferndem Konsum und Umweltzerstörung immer offensichtlicher wurde.

In meiner Studentenzeit ging es viel um die Bedeutung der Arbeiterklasse als „revolutionärem Subjekt“. Auch wenn entsprechende Theorien passé sind: Meine Sympathien liegen unverändert bei den „kleinen Leuten“, wie man sie früher nannte, den Benachteiligten, den Marginalisierten, den Ausgegrenzten, den Armen mit ihren Kindern – also Milieus, deren Anteil an der Gesellschaft deutlich gewachsen ist.

Hier sehe ich durchaus Parallelen zu meinem Großvater, der in seinen zahlreichen Geschichten über Land und Leute in Ostfriesland eine Vorliebe für die „kleinen“ und einfachen Leute erkennen ließ, besonders für die, die sich der „Modernität“ und einem konsumbestimmten Leben verweigerten. Ich sah und sehe das alles immer etwas „politischer“ als er – aber im Grunde waren und sind wir uns einig: Erst ein Leben, in dem ich wenigstens versuche, in irgendeiner Weise zum Allgemeinwohl im weitesten Sinne und zu mehr Gerechtigkeit beizutragen, macht Sinn. Oder wie der ostfriesische Pädagoge Johannes Diekhoff, mein Vorbild und Freund, sagte: „So wie die Welt ist, dürfen wir sie nicht verlassen!“ 

HERZlichst                      Andreas Wojak

(Sommer 2021)